theater:pur, November 2021
„(…) Pulk fiktion stellt diese Fragen im bewährten gelassenen Stil der Gruppe. „Robin und die Hoods“ sind eine Band, die zunächst im Zeitraffer einige Motive aus der englischen Sage vorstellt. Sie ironisieren das Pathos der Geschichte mit witzigen Gags und skurrilen pantomimischen Einlagen, kleinen Choreographien (vor allem die absurde Show, mit der sie sich am Ende den ihnen wieder entwendeten Schatz zurückklauen, ist höchst witzig!) sowie mit bewusst laienhaftem Playback zu vom Band eingespielten akustischen Filmdokumenten. Immer wieder reißen sie die 4. Wand ein, indem sie auf eine unaufdringliche Weise mit den Zuschauern kommunizieren: Wer würde einem Bettler etwas spenden? Und zwei Bettlern? Kann man allen Bettlern was geben? Unlösbare Konflikte tun sich auf, werden aber auf pulk-fiktion-Art nicht per moralischem Zeigefinger aufgelöst, sondern dem Publikum zum Nacharbeiten hinterlassen..“
Das Theaterstück nutzt die bekannte Vorlage vom König der Diebe - Robin Hood. Es stellt aktuelle Fragen: Was sind unsere Rechte von Geburt an? Wie verteilen wir Dinge? Was ist überhaupt gerecht?
Robin Hood ist der König der Diebe. Mit ihm im Rücken stellt sich pulk fiktion den Fragen nach Geburtsrecht, Verteilung und Gerechtigkeit. Spielerisch, mit Elektropunkmusik und in Strumpfhosen tanzend, erproben pulk fiktion für Menschen ab 8 Jahren den Aufstand. Detektivisch gehen sie einer historischen Wirklichkeit auf die Spur und verhandeln ohne moralischen Zeigefinger die heute umso brennendere Frage, wie ein gerechtes Leben zu erreichen ist bzw. mit wie viel Nachdruck (ganz gleich in welcher Form) Menschen für ihre Ideen und Überzeugungen einstehen können, müssen, sollen, dürfen, wollen, damit sie gehört werden.
Wie sehr sind wir Robin Hood und möchten es sein? Welche Waffen sind für eine gerechte Sache erlaubt? Und was ist überhaupt gerecht? Wo sprengt unsere heutige komplexe Welt den Rahmen unserer Vorlage?
Festivals und Auszeichnungen:
Eingeladen zum WESTWIND – Theatertreffen für junges Publikum NRW 2022
Ausgezeichnet mit dem Kölner Kinder- und Jugendtheaterpreis 2022
Eingeladen zum Flausen Festival Chemnitz 2022
Eingeladen zu AUGENBLICK MAL! – Bundesweites Theatertreffen für junges Publikum 2023
Eingeladen zu augenauf! Festival 2023, Winterthur
Eingeladen zu Blickfelder-Festival 2024, Zürich
Hier geht es zum kunstvermittelnden Begleitmaterial.
Das Stück thematisiert Armut, Kapitalismus und stellt Fragen zur Umverteilung.
Das Publikum wird direkt angesprochen und auch spielerisch einbezogen.
Es wird deutsche Sprache genutzt.
Konzept: pulk fiktion
Regie: Marcus Thomas
Mit: Julia Hoffstaedter, Marouf Alhassan, Franziska Schmitz, Nicolas Schneider
Ausstattung: Norman Grotegut
Musik: Nicolas Schneider
Choreografie: Elisabeth Hofmann
Dramaturgie: Hannah Biedermann
Technik und Spiel: Peter Behle
Vermittlung: Hannah Dijksma
Produktion: Esther Schneider
Finanzmanagement: transmission
Uraufführung: 25.11.2021
Rechte: Beim Theater
Eine Koproduktion von pulk fiktion mit Freies Werkstatt Theater Köln, FFT Düsseldorf, dem Theater M. a. Ruhr und dem LOT-Theater Braunschweig. Gefördert durch das Kulturamt der Stadt Köln, das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und der Kunststiftung NRW.
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Anzahl der Mitwirkenden: 4D + 1T
Zielgruppe: ab 8 Jahren
Zuschauerzahl: max 150 Zuschauer*innen (nach Absprache ggf auch mehr)
Bühne: mind. 8m x 6m, Höhe 3 m, Maße können ggf. abweichen – nach Absprache.
Raum muss verdunkelbar sein.
Licht/Ton: Scheinwerfer werden vom Haus benötigt. Lichtpult wird mitgebracht. Tonanlage wird vom Haus benötigt, und durch Lautsprecher auf der Bühne ergänzt. FoH muss im Zuschauerraum sein bzw. muss der Techniker vom FoH auf die Bühne laufen können.
Hier geht es zum Tecrider.
Nehmt’s den Reichen, gebt’s den Arme
von Dietmar Zimmermann
Es weihnachtet – Zeit für die Familienstücke. Und siehe da: Zwei völlig unterschiedliche Kompanien feiern in Düsseldorf an zwei aufeinanderfolgenden Tagen mit Familienstücken Premiere und haben jeweils das gleiche Ziel: die Kinder dafür zu sensibilisieren, dass man eventuellen Reichtum mit den Bedürftigen teilen muss. Umverteilung also. Bloß: Wie geht man das an? Und wie bringt man das vordergründig so einfache, de facto aber so komplexe Thema der Zielgruppe ab 6 respektive ab 8 Jahren adäquat näher? Nun, pulk fiktion und das Junge Schauspiel Düsseldorf schauen jeweils ins Mutterland von Adam Smith und John Maynard Keynes und finden ihre Stoffe in der dortigen Literatur. Robin Hood raubte in Nottingham die Reichen und die kirchlichen Würdenträger aus und wandelte sich im Laufe der Jahrhunderte in der literarischen und sozialpolitischen Rezeption vom Räuber zum Sozialrevolutionär; der raffgierige Kleinunternehmer Ebenezer Scrooge aus London wird bei Charles Dickens mit Hilfe von Nächstenliebe und Weihnachtsgeistern in einen freigiebigen Philanthropen verwandelt. Dickens erzählt ein liebenswertes, moralisches Märchen. Die Sage von Robin Hood hat da mehr revolutionäres Potential.
Verordnete Umverteilung: Ruft pulk fiktion Kinder zur Revolution auf?
Pulk fiktion aus Köln glaubt nicht so recht an Märchen à la Dickens, dafür umso mehr an die Revolution. Vor allem aber wird die Gruppe geschätzt für ihre entspannte und durchaus basisdemokratische Art, merkwürdige Wahrheiten aus althergebrachten und möglicherweise politisch gar nicht mehr korrekten Stoffen zu hinterfragen: Max und Moritz war dafür vor drei Jahren ein besonders brillantes Beispiel, das die Zielgruppe der Kinder ganz ohne erhobenen Zeigefinger mit dem Thema Schadenfreude konfrontierte. Schadenfreude als eine zwar menschliche (insbesondere auch kindgerechte), moralisch aber eher abzulehnende Regung zu betrachten, dürfte allerdings auch allgemeiner Konsens sein. Da ist die Mär vom Räuber und Sozialrevolutionär schon ambivalenter, vor allem wenn man sie aus der autokratischen höfischen Klassengesellschaft des 13. – 18. Jahrhunderts (so lange wurde die Geschichte immer weiterentwickelt!) auf die demokratisch legitimierte soziale Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts übertragen will.
Im KAP1, der nigelnagelneuen Spielstätte des Forums Freies Theater in Düsseldorf, ist der Stil von pulk fiktion sogleich wiederzuerkennen. „Niemand setzt sich hier zur Wehr / deshalb muss ein Hero her / nimmt’s den Reichen, gibt’s den Armen / Robin Hood heißt er mit Namen“, knitteln „Robin und die Hoods“ und rauben einen Schatz. Sogleich beginnt die Hinterfragung: „Rauben? Ist das ein böses Wort? Sind wir Räuber?“ Oder stimmt es, dass die Bande nur borgt „von solchen Leuten, die zu viel verdienen“? Kinder und Erwachsene rätseln: Ist „borgen“ ein adäquates Wort, wenn man gar nicht beabsichtigt, das geborgte Gut zurückzugeben? „Zu viel verdienen“ – sind wir da nicht schon bei der unsäglichen Neid-Debatte? – Die Performer lassen keine Zweifel an ihrer Auffassung, dass Umverteilung das Gebot der Stunde ist. Aber was ist fair, was ist gerecht? Ab wann ist Umverteilung Diebstahl? Welche Mittel sind erlaubt, um Umverteilung herbeizuführen? Raub? Mord gar?
Pulk fiktion stellt diese Fragen im bewährten gelassenen Stil der Gruppe. „Robin und die Hoods“ sind eine Band, die zunächst im Zeitraffer einige Motive aus der englischen Sage vorstellt. Sie ironisieren das Pathos der Geschichte mit witzigen Gags und skurrilen pantomimischen Einlagen, mal mehr, mal weniger gelungenen kleinen Choreographien (vor allem die absurde Show, mit der sie sich am Ende den ihnen wieder entwendeten Schatz zurückklauen, ist höchst witzig!) sowie mit bewusst laienhaftem Playback zu vom Band eingespielten akustischen Filmdokumenten. Immer wieder reißen sie die 4. Wand ein, indem sie auf eine unaufdringliche Weise mit den Zuschauern kommunizieren: Wer würde einem Bettler etwas spenden? Und zwei Bettlern? Kann man allen Bettlern was geben? Unlösbare Konflikte tun sich auf, werden aber auf pulk-fiktion-Art nicht per moralischem Zeigefinger aufgelöst, sondern dem Publikum zum Nacharbeiten hinterlassen.
Vor allem aber ist es „Technik-Peter“, der die 4. Wand durchbricht. Denn der will auch mitreden bei der Verteilung des Schatzes, obwohl der arme Peter von den Performerinnen und Performern kurzerhand zum Besitzenden erklärt wird. Kaum jedenfalls ist der Schatz geklaut, geht die Diskussion um dessen gerechte Verteilung los: Ist Gleichverteilung die gerechte Lösung? Kriegt das Publikum auch was mit, obwohl es doch gar nichts geleistet hat? Marouf Alhassan, der Versöhnlichste unter den Performern, der sich immer wieder versichern möchte, dass er auch zu den „Guten“ gehört, glaubt: „Man hat doch nicht nur Recht auf Wohlstand, wenn man etwas geleistet hat:“ Anderer Ansatz: Bekommt mehr, wer im Sherwood Forest mehr gekämpft hat? Oder wer die Idee zur Performance hatte? Intuitiv werden viele der Kinder verstehen, dass hier physische Arbeitskraft gegen intellektuelle Leistungsfähigkeit aufgewogen wird – gehört das Land den Arbeitern und Bauern oder der intellektuellen Elite? Ach ja, überhaupt: Sind nicht alle Gymnasiasten sowieso doof?
Womit sich die nächsten Fragen stellen, wenn man die bewusst niederschwellig gewählte Darstellungsweise von pulk fiktion erst einmal im Unterricht oder im Gespräch mit Eltern und Lehrern aufbohrt: Wie leicht kann man eigenen Vorurteilen auf den Leim gehen? Wie schnell wird die verabredete Solidarität brüchig? Und, ganz wichtig: Wer ist Nutznießer von mangelnder Solidarität? Denn da ist ja Technik-Peter, hier der Besitzende, der den aufkeimenden Konflikt zwischen den Arbeitern … ähh … Räubern zu nutzen versteht. Der sammelt nämlich die teilweise schon ans Publikum verteilten Goldmünzen wieder ein – mit erpresserischen Methoden: „Sonst geht die Show nicht weiter.“ (Tatsächlich hat der Schreiber dieser Zeilen eine exakt gleiche Situation schon einmal live erlebt: Da waren’s allerdings die gewerkschaftlich organisierten Bühnenarbeiter und Techniker, die dem Publikum und dem „besitzenden“ Veranstalter einen Strick drehten und für den Abbruch einer Veranstaltung sorgten.) Ganz nebenbei und nur mit einem Satz werden auch die vorab entstandenen Materialkosten ins Feld geführt, die vor der Verteilung der Einnahmen erst einmal kompensiert werden müssten. Und was ist mit Kapitalkosten, mit unternehmerischem Risiko?
Das „ganz nebenbei“ ist leider ein Problem der Aufführung: Die Gewichtung der verschiedenen Aspekte erscheint nicht immer ausgewogen. Die Stärke der Gruppe, Fragen der Politik und des sozialen Zusammenhalts ohne erhobenen Zeigefinger in den Raum zu stellen und offene Diskussionen zuzulassen, kommt bei „Robin und die Hoods“ nur scheinbar zum Tragen, denn pulk fiktion ist erkennbar selbst emotional resp. intellektuell involviert. Da werden doch allzu undifferenziert der Staat und die Reichen als Ausbeuter und ungerechtfertigt Besitzende in einen Topf geworfen und erwiesenermaßen in Sackgassen führende altlinke Konzepte propagiert. Pulk fiktion prangert Vorurteile an, schürt aber bisweilen neue. Auch ob man 8jährige zum zivilen Ungehorsam aufrufen sollte (der Sherwood Forest mutiert zum Hambacher Forst), erscheint zumindest dem Schreiber dieser Zeilen zweifelhaft. Die Gruppe hat ein politisches Anliegen, das den moralischen Aspekt ihres Themas überlagert. Aber die zahllosen Aspekte, die die Gruppe auf so unaufdringliche Art und Weise im Hinblick auf Verteilungsgerechtigkeit und die Schwierigkeiten ihrer Umsetzung aufwirft, sind eine grandiose Stoffsammlung. Sie reicht locker für ein ganzes Semester schulischer Aufarbeitung.
Kritikgestalten, Dorothea Marcus, April 22
„Einen relevanten Stoff haben Pulk Fiktion für Kinder ab acht Jahren ausgegraben. Aber kann man den Vorkämpfer für soziale Gerechtigkeit auf die permanent steigende Ungleichheit der globalisierten Welt beziehen? Pulk Fiktion kriegen das lustig, lässig, kindgerecht und niemals unterkomplex hin. …Hier stimmt wirklich alles: die Ansprache der Schüler*innen, die souverän eingesetzten und lustig dekonstruierten Theatermittel.“
kritikgestalten über Robin und die Hoods
„Niemand setzt sich hier zur Wehr – also muss ein Hero her“, rappt die coole Band in bunten Strumpfhosen und Kapuzenshirts. Ganz klar: dieser Hero heißt Robin Hood und ist jener mythische Typ, der Geld von den Reichen stahl und es unter den Armen verteilte.
Einen relevanten Stoff haben Pulk Fiktion für Kinder ab acht Jahren ausgegraben. Aber kann man den Vorkämpfer für soziale Gerechtigkeit auf die permanent steigende Ungleichheit der globalisierten Welt beziehen? Pulk Fiktion kriegen das lustig, lässig, kindgerecht und niemals unterkomplex hin.
Zunächst wird mit Film- und Hörausschnitten und viel interaktiver Beteiligung der Kinder geklärt, wer Robin Hood eigentlich war. Dann geht’s los: „Mit viel List und Pfeil und Bogen werden die Reichen abgezogen“. Doch wie soll der im Wald erkämpfte Geldsegen aus dem Turnbeutel verteilt werden? Schon gibt es Streit. Bekommt am meisten, wer am meisten gekämpft – Material bezahlt – oder Erfahrung eingebracht hat? Zum Glück werden die Taler rechtzeitig an die anwesenden Kinder verteilt – und mit einer listigen Bogenschießwette vom Techniker direkt wieder einkassiert. Was ist gerecht? Und welcher Zweck heiligt welche Mittel?
An vielen Stellen werden die Kinder ins Spiel einbezogen und mit kniffligen Fragen konfrontiert: Ein Schüler wird zur allgemeinen Empörung überredet, seine Jacke zu „verschenken“ – während die Gymnasiastenkinder mit eigenen Privilegien konfrontiert werden. Interview-Ausschnitte zeigen, dass sich nicht alle alles leisten können, mit ausgefeilten Comic-Sounds, Licht-Stimmungen und Kampf-Choreografien werden Atmosphären zwischen Gruselwald und Laser-Disco erzeugt. Hier stimmt wirklich alles: die Ansprache der Schüler*innen, die souverän eingesetzten und lustig dekonstruierten Theatermittel. Am Ende wissen alle: auch wenn es Spielgeld war, fühlt es sich doch echt an, es nicht zu besitzen.
Laudatio Kölner Kinder- und Jugendtheaterpreis 2022, Bianca Lennert
„„Robin und die Hoods“ ist rebellisch, anders, heutig und das ohne, dass die Kernfragen des bekannten Narrativen ausgetauscht würden: Wie verteilt sich Gerechtigkeit? Wer hat einen Anspruch auf Wahrheit? Wofür lohnt es sich zu kämpfen? Wie entsteht Gemeinschaft? Wie Überzeugung?
(…) In Form einer Electropunk Band (…) zeigt sich ein Ensemble, dass diese Fragen gekonnt und mit einer Menge Leidenschaft, Humor und Bewegung für sich und mit uns erforscht…“
Laudatio für den Kölner Kinder- und Jugendtheaterpreis 2022
„Robin und die Hoods“ von Bianca Lehnard
„Robin und die Hoods“ ist rebellisch, anders, heutig und das ohne, dass die Kernfragen des bekannten Narrativen ausgetauscht würden: Wie verteilt sich Gerechtigkeit? Wer hat einen Anspruch auf Wahrheit? Wofür lohnt es sich zu kämpfen? Wie entsteht Gemeinschaft? Wie Überzeugung?
Vom ersten Moment an zieht uns das Ensemble in bunten, schrillen Strumpfhosen, egal ob 8 oder 80 Jahre alt, in die Geschichte, oder eher gesagt: macht uns neugierig, diese Menschen auf der Bühne ernsthaft kennenlernen zu wollen. In Form einer Electropunk Band (ich hoffe an dieser Stelle annähernd richtig zu deuten) zeigt sich ein Ensemble, dass diese Fragen gekonnt und mit einer Menge Leidenschaft, Humor und Bewegung für sich und mit uns erforscht.
Schritt für Schritt erlebt das Publikum sitzend die Geschichte, spürt, wann auch es an eine Grenze gelangt, sich Wahrheiten verdrehen, neue Fragen auftauchen, obwohl man sich doch bereits für eine Antwort entschieden hatte. Es gibt keine Person auf oder vor der Bühne, die nicht mitwirkt. Ob Techniker oder Kinder, ob Erwachsene oder Spieler:Innen, pulk fiktion schafft es, alle zu involvieren und zu Mitgestaltenden zu machen. Somit erleben wir einen Moment im Theater, der eine Reise zu unserer eigenen Haltung wird. Zu reflektieren, wann man aussteigt, bis wann man mitmacht, wann man sich Impulse erlaubt oder verbietet, wann man sich eine Meinung aneignet. Das alles gelingt dem Ensemble, ohne zu moralisieren, ohne strategisch hintenherum Wahrheiten zu injizieren, ohne dem Publikum das Gefühl zu geben, dass der Ausgang der Geschichte bereits geschrieben ist.
Pulk fiktion bekommt den Kölner Kinder- und Jugendtheaterpreis, weil die Gruppe es geschafft hat, uns zu erzählen, dass sich die großen Themen der Welt kaum ändern, wohl aber die Möglichkeiten, damit umzugehen.
Somit ist auch das Ende der Inszenierung stimmig, denn es entlässt uns offen, inspiriert, mit einem wohltuenden Schuss Hoffnung, der dunklen Wolken am Horizont gewahr.
Dieses Jahr haben wir viele besondere Stücke sehen können, haben großartige Inszenierungen nominiert. Es war nicht leicht, eine Inszenierung auszuwählen und wir danken allen Ensembles & Theatern, RegisseurInnen und SpielerInnen, dass sich das Theater für junges Publikum zeigt, entwickelt und nicht aufgibt, in einer herausfordernden Zeit ein herausforderndes Publikum zu berühren und Möglichkeiten anzubieten, sich seine eigene Meinung zu bilden und diese Welt zu seiner zu machen.
Kölner Stadtanzeiger, Christian Bos, Februar 22
"Die Ästhetik ist erkennbar pulk fiktion: Der Dialog mit dem jungen Publikum, die spielerisch-leichte Aufarbeitung komplexer Fragestellungen und die klug, aber nie angeberisch eingesetzte Technik.(…) Die zwei Goldstücke, die jeder Zuschauer erhält, muss er gleich wieder abgeben: Techniker Peter (der alte Bösewicht) droht mit Abbruch der Vorstellung, wenn die nicht noch auf das Eintrittsgeld draufgelegt werden: So eine Produktion koste eine ganze Menge. Und sie ist auch eine ganze Menge wert: Die Fragen, die „Robin und die Hoods“ aufwirft, sind klüger als die meisten erwachsenen Antworten zum Thema.“
Was man im Kindertheater über die Gerechtigkeit lernen kann
Peter, der Bühnentechniker, hat alle Goldmünzen geklaut. Und nicht nur das, er hat sich auch noch die elektrisch blinkende Krone aufgesetzt. Er sei nun mal der einzige, dessen Kopf groß genug dafür sei, lautet Peters fadenscheinige Begründung. Waren Robin und seine Hoods – die mittelalterlichen Balladenfiguren treten im Freien Werkstatt Theater als Elektropop-Gruppe auf – nicht eigentlich angetreten, den Reichen zu rauben und den Armen zu geben?
Jetzt haben sie irgendwie das Gegenteil erreicht. Zeit für letzte, verzweifelte Maßnahmen. Aber wie holt man sich die Taler zurück? Mit Ocean’s 11-mäßiger Finesse, oder mit roher Gewalt? Die Frage geht ans Publikum. Und die Kinderjury urteilt gnadenlos: „Macht ihn alle!“, ruft ein Junge im Revoluzzer-Rausch. Kinder an die Macht? Die Grönemeyer-Forderung war schon immer gruselig.
Das Thema Gerechtigkeit und Teilhabe treibt Hannah Biedermanns Kinder- und Jugendtheatergruppe pulk fiktion schon länger um, ob es um Kinderarmut geht wie in „All or Nothing“ oder um politisches Handeln wie in der Hannah-Arendt-Befragung „Denken ohne Geländer“.
Samples aus der Robin-Hood-Geschichte
Für „Robin und die Hoods“ hat Biedermann nur die Dramaturgie übernommen, Regie führt diesmal Marcus Thomas, aber die Ästhetik ist erkennbar pulk fiktion: Der Dialog mit dem jungen Publikum, die spielerisch-leichte Aufarbeitung komplexer Fragestellungen und die klug, aber nie angeberisch eingesetzte Technik – hier sind es vor allem die vielen kleinen Samples aus der reichhaltigen Rezeptionsgeschichte der Robin-Hood-Sage, die Nicolas Schneider vom Keyboard abruft.
Denn so einfach ist das nicht, mit der gerechten Umverteilung. Amelie Barth, Julia Hoffstaedter und Marouf Alhassan wollen als anarchische Kapuzenträger Helden sein, keine Straftäter. Andererseits, verhungern will man bei der Arbeit ja auch nicht.
Zwei Goldstücke für jedes Kind
Der Frage nach dem Geld entkommt man nicht. Noch nicht einmal der Sherwood Forest ist frei. Der gehört den Banken der Kirche oder einem Stromversorger. Und so geraten die Hoods schon bei der Verteilung der Beute aneinander. Was zählt mehr? Die Materialkosten oder die Idee? Und überhaupt, müsse man doch mit den Kindern teilen, die sie immerhin nicht verpetzt haben.
Die zwei Goldstücke, die jeder Zuschauer daraufhin erhält, muss er gleich wieder abgeben: Techniker Peter (der alte Bösewicht) droht mit Abbruch der Vorstellung, wenn die nicht noch auf das Eintrittsgeld draufgelegt werden: So eine Produktion koste eine ganze Menge.
Und sie ist auch eine ganze Menge wert: Die Fragen, die „Robin und die Hoods“ aufwirft, sind klüger als die meisten erwachsenen Antworten zum Thema.
21022022, Kölner Stadtanzeiger
Pressefotos runterladen (.zip)
Termine
Vergangene Termine
Mülheim a. d. Ruhr
Mülheim a. d. Ruhr
Mülheim a. d. Ruhr
Mülheim a. d. Ruhr
Mülheim a. d. Ruhr
Liechtenstein
Liechtenstein

nach dem gleichnamigen Bilderbuch von Emma AdBåge, ab 5 Jahren

Für alle die Lust haben mit pulk fiktion Theater zu machen

Eine Begegnung zwischen Kunst und Pädagogik

GRUSEL ein Live-Hörspiel im Theater für blinde und sehende Menschen ab 8 Jahren

Ein Stück über Veränderungen ab 10 Jahren

Künstlerische Netzwerke mit und für junge Menschen