Wie Kinder träumen und was sie sich wünschen
Eines vorweg: pulk fiktion, die zumindest bei der Namensgebung an billige Taschenbücher oder Quentin Tarantinos Film erinnern, sind würdige Preisträger. Das Theater-Kollektiv wurde nämlich jüngst mit dem George-Tabori-Förderpreis für die Freie Theaterszene ausgezeichnet. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert und gilt als hierzulande als einer der wichtigsten für die freie Theaterszene. Aber zurück zu dem „Pulk“, der sich mit Kinderarmut eines ebenso aktuellen wie schwierigen Themas angenommen hat. Fernab von Sozialromantik und politisierter Opferrolle hat pulk fiktion, basierend auf Recherchen mit Kindern und Jugendlichen, ein Stück erarbeitet, das eben nicht mit dem mahnenden Zeigefinger agiert, sondern aus Originalaufnahmen und poetischen Szenen eine Realität schafft, die eindringlich ist.
Dabei kommen die Ensemblemitglieder Elisabeth Hofmann, Norman Grotegut, Manuela Neudegger und Sebastian Schlemminger im FFT erst einmal gar nicht so kindgerecht daher – denn sie verzichten auf eine lineare Erzählstruktur. Wir lernen die Protagonisten jeweils an ihrem 21. Geburtstag kennen, wenn der goldene Ballon, mit dem gefeiert wird, zerplatzt. Oder vielmehr schon lange geplatzt ist, denn die Geburtstage kommen immer wieder, von dem des kleinen Kindes bis zu dem der jungen Erwachsenen.
Per Fuß-Klick werden O-Töne abgerufen und die Stimmen der Schauspieler mit denen von Kindern kontrastiert. Da ist von Träumen und Wünschen die Rede, der eine will Arzt werden, die andere möchte eine Familie mit zwei Kindern haben, oder auch nur ein Dach über dem Kopf und ein gemütliches Sofa. Die Realität scheint immer wieder einen Strich durch die Rechnung zu machen, sozialer Abstieg und Isolation drohen. Minimalistische Keyboardklänge begleiten das Stück auf eine süffisante Weise. „Es gibt keinen Abstieg, es gibt nur die Möglichkeiten des Scheiterns“, heißt es. Mit großem Beifall wird die frische Inszenierung unter der Regie von Hannah Biedermann und Eva von Schweinitz belohnt, weil der Humor nicht zu kurz kommt.
Thomas Hag, Rheinische Post, 7.6.2016