Votum Auswahljury WESTWIND 2017
Am Anfang war das sprichwörtliche Nichts. Was heißt es, in unserer kapitalistisch ausgerichteten Gesellschaft nichts zu haben? Arm zu sein? Ist diese Armut erblich? Muss man dieses Erbe annehmen oder gibt es noch Platz für Wünsche? Die Performancegruppe pulk fiktion hat durch intensives Fragen, Recherchieren und Suchen, eine facettenreiche Inszenierung geschaffen, die klugerweise nicht behauptet, Antworten oder Lösungen zu bieten. Anhand weniger Mittel und durch erkennbare Zeichen, wie die eine Geburtstagsfolge anzeigenden goldenen Luftballons, die nach und nach wie die Wünsche zerplatzen; durch Tanzsequenzen, live entstehende Zeichnungen und Musik und nicht zuletzt den geschickt genutzten O-Tönen der Kinder und Jugendlichen selbst, wird vor dem Publikum die soziale Dimension von Kinderarmut erforscht. Dies ist zum Teil hochpoetisch, lässt Raum für Assoziationen, erhebt sich nicht über die Figuren und macht schmerzhaft bewusst, dass es in diesem Nichts doch um Alles geht: Wie wird man (wieder) sichtbar?
Gerlinde Behrendt, Alex Gesch, Holger Runge