Rest der Welt Presse 3
Mit Motorradhelm auf den Mond – Die drei Performer von „pulk fiktion“ zeigen im Theaterhaus auch für Kinder, wie Nachrichten entstehen
Vielleicht ist ja alles nur erfunden. All das, was diese schnieken Sprecher mit perfekt sitzender Frisur lächelnd in die Kamera erzählen: Woher kann man sicher wissen, dass die Hirne in ihren Föhnfrisuren-Köpfen nicht Märchenmaschinen sind? Dem gilt es auf den Grund zu gehen, denn nicht umsonst ist die Geschichte der Falschmeldungen eine lange und ergiebige. Zwei Performerinnen stehen vor einer weißen Tafel, der Tabula rasa des Nachrichtengucker-Gehirns, und klären in eloquenter Moderatorinnenpose auf. Da sind die „Hitlertagebücher“, 1983 veröffentlicht vom „Stern“, ein vergleichweise unterhaltsamer Skandal. Umgerechnet knapp fünf Millionen Euro hat das Magazin dem dreisten Zeitgenossen Konrad Kujau gezahlt, der sich ins Fälscher-Händchen lachen konnte. Dass es auch Fotografen gibt, die eine Wasserstraße in Ägypten blutrot färben, um die Schrecken des Krieges plastischer zu machen: mein lieber Scholli.
Es klingt ernst und medienkritisch, was die drei Performer von „pulk fiktion“ auf der Bühne des Theaterhauses veranstalten. Und das ist „Der Rest der Welt“, eine Lecture Performance ab 10 Jahren, über Strecken auch.
Hannah Biedermann, Karoline Kähler und Sebastian Schlemminger gehen einem Phänomen auf den Grund, das jeden umgibt, aber gar nicht so einfach zu verstehen ist: Woher kommen sie eigentlich, die Nachrichten? Wer sucht und findet sie? Und wer versichert uns, dass sie wirklich stimmen?
Neben diesen durchaus schwerwiegenden Fragestellungen ist die Show aber vor allem unterhaltsam. Die Mischung macht’s: Die Inszenierung ist Vortrag, Slapstick, Tanz-Choreografie und Dokumentation. Zu Anfang stehen die Damen vor einer Leinwand und karikieren den Sprachduktus der Barbara Eligmanns und Peter Klöppels gekonnt. Sie erzählen von der „Schieflage der politischen Lage“, um dann in grünen und pinkfarbenen Hotpants zu offenbaren, was sich alle schon gedacht haben: Unterm Tisch sieht die Fernsehwelt anders aus. Motorradhelme auf dem Kopf und von der Schwerkraft befreit, stellen sie große Medienereignisse wie die Mondlandung vor einer blauen Wand nach. Mit Bluescreen-Technik à la Filmstudio sorgt Sebastian Schlemminger am PC live dafür, dass die Unternehmungen an eine Leinwand projiziert werden.
Und wenn das Publikum Teil der Berichterstattung sein darf, wird es besonders spannend: Die Interview-Antworten, die eine Zuschauerin ganz harmlos vor bunter Disneyland-Kulisse gibt, können in einem anderen Kontext plötzlich zu Statements einer Revolutionszeugin werden.
Betrügen uns die Medien also fortwährend? Natürlich nicht. Ganz seriös geht es mitunter auch zu: Mit Kaffeepulver und -filter erklären Biedermann und Kähler den Weg vom Ereignis zum Bericht. Auf spielerische Weise werden Faktenwissen und Medienkompetenz verschraubt.
Und dass diese super-seriösen Fernsehmenschen Turnschuhe bei der Arbeit tragen, wissen wir nun auch.
von Stephanie Drees
Hildesheimer Allgemeine Zeitung vom 26.11.2011