Rest der Welt Presse 1
Alles gelogen, oder was? – Theatergruppe pulk fiktion arbeitet mit Schülern ein Stück über die Medienwelt aus
Es geht um die Nachrichten und damit auch um die Frage: Was ist die Wahrheit? Was ist Glaubwürdigkeit? Die Theatergruppe pulk fiktion setzt sich in ihrer aktuellen Produktion „Der Rest der Welt“ mit Formen der Medienrezeption auseinander. Dazu haben Hannah Biedermann (28), diplomierte Szenische Künstlerin, Kulturwissenschaftlerin Karoline Kähler (27) und Eva von Schweinitz (28), die in Köln Drehbuch studierte, wochenlang mit Schülern der 5. und 6. Klassen der Integrierten Gesamtschule Bonn-Beuel gesprochen. Denn bei ihrem Theater, das am Freitag um 18 Uhr in der Brotfabrik Premiere feiert, ist Interaktion gefragt. Lecture Performance heißt das Format. Es bezeichnet eine Mischform aus Theater und Vortrag, aus Kultur und politischer Bildung, aus Unterhaltung und Lernen. Die Kinder sind nicht nur Zuschauer. Sie haben das Stück mitbestimmt. In kleinen filmischen Einspielern etwa werden ihre Fragen auf eine Leinwand geworfen. Was wollen Elf- und Zwölfjährige von den Nachrichtensprechern aus dem Fernsehen wissen? Klar ist da auch die Frage nach dem „Was-ist-wenn-du-mal-musst?“ Aber auch: „Was war die schönste Meldung? Wie viele Menschen sind an einer 15-minütigens Tagesschau eigentlich beteiligt?“ Und: „Woher kommen die Nachrichten eigentlich?“ Das zeigt das Schauspieler-Duo Biedermann-Kähler sehr schön. Mehrere Globen weisen schon darauf hin, dass es um nichts weniger als die ganze Welt geht. Eine Kaffeemaschine gehört natürlich auch zum Handwerk der Nachrichtenmacher, die an einem kleinen Schulpult sitzen. Szenisch wird eine Redaktionskonferenz gespielt. Was spielt für die Auswahl von Nachrichten eine Rolle? Die globale Bedeutung, die Ungewöhnlichkeit einer Nachricht, die persönliche Betroffenheit? An Beispielen aus dem Iran, aus Ägypten und China wird gezeigt, dass es heute häufig nicht nur Reporter vor Ort sind, die auf Unterdrückung, auf eine politische Stimmungslage aufmerksam machen, sondern Studenten, ganz normale Menschen, die über ihre Handys die Nachrichten in die weite Welt senden. Es geht aber auch darum, das Medium zu hinterfragen und kritisch hinzuschauen. Wie war das mit dem erfundenen Interview mit der Sängerin Beyoncé Knowles, das Neon-Autor Ingo Mocek schrieb? Oder Tom Kummer, der Starreporter, der in den 90ger Jahren für viele Magazine und Zeitungen vermeintlich sensationelle Gespräche mit Prominenten geführt hat: Alles erlogen. Da stellt sich die Frage, was Wahrheit ist. Oder die Demonstration vor dem Bluescreen, der blauen Wand, die Reporter von einer Sekunde zur nächsten von der Wüste in die Eiszeit katapultieren können. „Die blaue Wand find ich toll“, sagt ein Mädchen, ein anderer Junge findet die Nachrichten über ein Blutbad „ekelhaft“, aber sie wissen jetzt, dass man hinter jede Nachricht blicken muss. von Cem Akalin General-Anzeiger Bonn, vom 14.07.2011