Wenn schon der Anfang nicht stimmt
Wenn man etwas wirklich will, dann schafft man das auch. Oder vielleicht nicht? Ist der, aus dem nix wird, selber schuld? Dass nicht immer etas hinkommt, wo nichts ist, und warum das so ist, zeigt das preisgekrönte Bonner Ensemble pulk fiktion in seinem Jugend-Stück „All about Nothing“ im Freien Werkstatt Theater. Im Rahmen seines Spielzeit-Schwerpunkts „Arm und reich“ bietet die Südstadt-Bohne in Kooperation mit dem FFT Düsseldorf und dem Theater Bonn nach Jahren erstmals wieder Theater für junge Zuschauer ab 12 an. Doch nicht nur die können staunen, wie fantasievoll und leichtfüßig die Regisseurinnen Hannah Biedermann und Eva von Schweinitz das Thema Kinderarmut anpacken.
Mit einem simplen Trick wird klar, dass der Schritt ins erwachsene Leben schwer wird, wenn es schon am Anfang nicht stimmt: pulk fiktion erzählt seine Geschichte rückwärts. Mit 21 schreibt Manu noch mal einen aufmunternden „Brief an mich selbst“, mit 19 sitzt sie im Supermarkt an der Kasse, mit 18 will sie Tiermedizin studieren, doch der realistische „Plan B ist Einzelhandel“. Wer 16 ist und das angesagte Shirt nicht hat, ist draußen. Norman Grotegut, Elisa Hofmann und Sebastian Schlemminger quetschen sich zu dritt in die schicke Glitzerhülle. Manuela Neudegger bleibt außen vor – eines der verblüffend einfachen, poetischen Bilder der Inszenierung, die ihr Thema spielerisch mit Tanz (Elisa Hofmann), Projektionen, Geräuschen und Musik (Sebastian Schlemminger) transportiert – und ihm durch eingeflochtene O-Töne von Kindern und Jugendlichen beklemmende Tiefe gibt.
Ist Armut erblich oder nur die mangelnde Chancengleichheit? Wie ist das, wenn die anderen ins Kino gehen und man zu Hause bleiben muss? Wenn die Mutter sich im Sonnenstudio brät, als ihrem Kind ein Spiegel-Ei zum Mittagessen?
In Deutschland leben zwei Millionen arme Kinder und Jugendliche. Die im Dunkeln sieht man nicht – gut, dass pulk fiktion das Licht anmacht.
Kölnische Rundschau, Brigitte Schmitz-Kunkel, 2016