Geburtstagsrede – Christoph Rech, Kulturamt Köln/FFT Düsseldorf
Liebe Hannah, Norman, Eva, Basti, Manu, Matze, Karo, Clara, Esther, Elisa, Peter, Nicolas, Judith
wie kann man nur? Wie kann man nur in unseren Zeiten aufs Theater setzen, Performance gar? Wie kann man behaupten, dass diese angestaubte museale allenfalls ethnologisch oder archäologisch interessante Kunstform heute noch irgendjemand interessiert? Irgendetwas erzählen könnte über unsere heutige Zeit, über das Hier und Jetzt? Irgendeine Relevanz haben könnte in einer Zeit, in der Politik sich bizarrer und spektakulärer geriert als es irgendeine Erzählung erfinden könnte?!
Wie kann man nur? Und das auch noch für Kinder und Jugendliche? Sich an 8, 10, 12jährige wenden, für die facebook schon out ist und die seit zwei Jahren ihren eigenen snapchat-account haben? Wie kann man von sich behaupten in der Zeit zu sein und etwas davon zu berichten, zu sezieren, zu erzählen, beeinflussen zu können angesichts der Geschwindigkeit, in der Trends, Moden, Meinungen, Haltungen aufkommen und wieder vergessen werden?! Wie kann man sich nur anmaßen etwas zu ahnen von der Lebenswelt junger Menschen, wenn man noch nichtmal seine eigene Lebenswelt auch nur annähernd zu ergründen vermag oder im Griff hat? Wie kann man sich erdreisten, etwas Neues zeigen zu wollen, etwas Ungesehenes. Wie kann man denken, man könne den einfachsten und höchsten Anspruch, den die Kunst stellt, erfüllen: der Welt etwas hinzufügen, das es noch nicht gab und das sie gebraucht hat. Wie kann man sich nur dahinstellen und sagen: seht her – wir haben uns da was ausgedacht. Wir reden euch nicht nach dem Mund, aber schauen euch aufs Maul. Wie kann man nur?
Wie kann man all das für sich in Anspruch nehmen und dann auch noch die Chuzpe finden, dies für die sensibelsten, kritischsten, offensten, verletzlichsten, anspruchsvollsten, klarsten Zuschauer, die es gibt, tun zu wollen?! Wie kann man nur? Wie kann man diesen jungen Zuschauern vorgaukeln, die Bestimmer zu sein und sich die Welt zu machen, wie sie ihnen gefällt?
Wie kann man davon ausgehen, dass Fernseh-Nachrichten für Kinder ein interessantes und angemessenes Thema wären? Oder gar ein stilles intimes Stück über einen alleinerziehenden Vater, der seine Frau verloren hat? Was für eine Idee, Erwachsene und Kinder könnten Familie miteinander frei aushandeln? Wie kann man nur denken, dass Kinderarmut und soziale Ungleichheit in unserem Land eine Rolle spielen könnte? Wie kann man Tieren auf der Bühne blutspritzend den Kopf abschneiden und das lustig finden wollen? Wie kann man nur?
Wie kann man all das tun? Wie kann man daran glauben? Wie kann man all die Phantasie, den Verstand, das Herz, die Liebe in solche Hirngespinste, Anmaßungen, Überschreitungen, Übertreibungen investieren? Wie kann man nur?
Liebe pulk Ihr könnt!
können ist wie wollen – nur krasser!
Christoph Rech, Kulturbeirat Stadt Köln/FFT Düsseldorf, 13.10.2017