Der Rest der Welt Presse 6
Hinhören und nachdenken
Der Rest der Welt: Pulk Fiktion betreibt Aufklärungsarbeit im undurchsichtigen Nachrichten-Dschungel
Paderborn.
Nachrichten verfolgen uns heute auf Schritt und Tritt, dudeln den ganzen Tag nonstop aus Radio und Fernsehen, gehen in ein Ohr rein und aus dem anderen ungehört wieder raus – in der Zeitung kann man sie wenigstens gezielt auswählen und in Ruhe lesen. Ob im nördlichen Zipfel der Mongolei wieder der berühmte Sack Reis umgefallen ist oder ob der angeheiratete Vetter 3. Grades von Lady Gaga gerade Verdauungsprobleme hat – die Welt wird es erfahren, ob sie will oder nicht, sie kann sich nicht dagegen wehren.
Die Gruppe „pulk fiktion“ beantwortete gestern beim Jugendtheatertreffen viele lustige Fragen rund um das Thema Nachrichten: Bekommt ein Nachrichtensprecher Ärger, wenn er lachen muss? – Nein, wenn es nicht zu doll ist mit dem Lachanfall. „Viel mehr Angst habe ich davor, Rülpsen zu müssen“, plaudert eine Nachrichtensprecherin aus dem Nähkästchen.
Schwieriger wird es, die ernsthaften Fragen des Medienzirkus zu beantworten: Wer garantiert für den Wahrheitsgehalt der Sensationsmeldungen? Nicht nur Diktaturen unterdrücken gerne Wahrheiten oder dichten sie in ihrem Sinne um. Heute verbreiten Internet-Blogs die wahre Wahrheit, sagt pulk fiktion – und wer kontrolliert die Blogs?
Mit simpler Heim-Videotechnik vor einer blauen Leinwand demonstriert pulk fiktion, wie Tante Emma täuschend echt auf dem Mond herumhüpft. Haben die USA damals nicht die ganze Mondlandung im Studio getürkt, nur um den Wettlauf gegen die bösen Russen zu gewinnen? pulk fiktion interviewt einen Jungen aus dem Publikum im Disneyland-Freizeitpark (auf Leinwand). Später werden Gesprächsfetzen aus diesem Interview zu einer angeblichen Live-Reportage von einem Kriegsschauplatz in Georgien zusammengeschnitten – gespenstisch. Wenn einige der jungen Zuschauer im Studio des Paderborner Theaters bei den Nachrichten jetzt genauer hinhören und etwas länger über das Gehörte nachdenken, dann haben „pulk fiktion“ ihr Ziel erreicht.
Neue Westfälische Zeitung vom 23. Mai 2012