Auswahljury Begründung Westwind 2024

Das theatrale Live-Hörspiel „GRUSEL“ bietet einen besonders interessanten Umgang mit Ängsten für sehende und blinde Menschen: Sich diesen lustvoll gruselnd zu stellen. Kurz nach Betreten des Theaterraums sind sie auch schon da, all die Gestalten und Szenen aus dem kollektiven Angstgedächtnis: die Monster unter dem Bett, das Skelett mit rasselnder Kette, die unheimlich quietschende Tür oder Erwachsene, die merkwürdige Sachen machen. Auch ältere Zuschauenden/Zuhörenden wird viel geboten: Sie können sich an jene Kindheitsgefühle erinnern, die beispielsweise im Bett entstanden, wenn die Geräusche des Hauses hörbar wurden. Die Produktion hält konsequent die Perspektive von Kindern ein, hinterlässt aber auch bei Erwachsenen einen Eindruck, der lange nachhallt. Mit Kopfhörern mitten auf der Bühne sitzend findet man sich sofort in einer unheimlichen Szenerie und lauscht der netten Erzählerin-Stimme, die durch die Performance führt. Die vertraute Stimme ermöglicht allen, trotz aus allen Ecken auftauchender unheimlicher Gestalten, eine individuelle Teilnahme. Auch ermöglicht sie die selbstbestimmte Entscheidung, wieviel Grusel man zulassen möchte. Die Produktion baut ohne pädagogischen Zeigefinger Brücken in die jeweiligen Erfahrungswelten.